erschienen in Interface 2/2000, Zeitschrift des SVIA, August 2000

Hermann Knoll, SVIA-Präsident

Wozu Bildungsserver?

Im Dictionnaire heisst es: to serve = nützen, helfen, dienlich sein. Ein Bildungsserver soll also der Bildung nützen und sie unterstützen, konkret den Lernenden und den Lehrenden dienlich sein. Heute wird unter einem Server aber nur eine Computeranlage verstanden, die Dienste und Inhalte bereit stellt. Ich denke, wir sollten jetzt nach allen möglichen Unterstützungsangeboten fragen, nicht nur nach den elektronischen.

Vor den Ferien haben wir es gelesen: Die Schweiz bekommt einen nationalen Bildungsserver. EDK (1) und Bundesstellen haben Fr. 4 Mio. für den Aufbau gesprochen, und für den Betrieb wird mit einem Aufwand von Fr. 1 Mio. pro Jahr gerechnet. Ein bereits heute für die Sekundarstufe II funktionierender Server ist EducETH. Aufgebaut wurde das Angebot von einem kleinen Team, und die Fachseiten werden von Freiwilligen betreut. Wieviel von den gesprochenen Mitteln wird EducETH zum Ausbau und zur Pflege der Inhalte erhalten? Es ist ja illusorisch zu meinen, dass ein professionelles Angebot nur mit Freiwilligenarbeit auf Dauer funktionieren kann.

Stärkung der Fachdidaktiken

Hinter EducETH steht die Informatik-Fachdidaktik der ETH. Ihr Ziel ist die Ausbildung von InformatiklehrerInnen. Die Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) sind in der Schule gršsstenteils in die verschiedenen Fächer integriert. Das heisst aber, dass ein wesentlicher Aus- und Weiterbildungsbedarf bei den Lehrpersonen aller Fächer besteht. Es sind also die FachdidaktikerInnen gefordert, welche in ihren Ausbildungsprogrammen die neuen Medien vermehrt berücksichtigen müssen. Sie kšnnen dies aber nur tun, wenn sie selbst diese Medien zu nutzen wissen und entsprechende Kapazität für die Entwicklung neuer Lernumgebungen haben. Heute erhalten die FachdidaktikerInnen in der Regel für ihre Ausbildungstätigkeit eine kleine Stundenentlastung. Für Entwicklungs- und Forschungsarbeit haben sie praktisch keine Zeit. Diese Zeit wŠre aber nötig, wenn die Integration der IKT in die FŠcher fortschreiten sollte.

Didaktikzentren

Unterricht heisst heute mehr und mehr weg vom lehrerzentrierten Geschehen hin zur Individualisierung des Lernens. Lernen geschieht bei den Lernenden, und die Aufgabe der Lehrenden ist vermehrt die Beratung und Begleitung. Damit die Lehrenden diesen Auftrag erfüllen können, brauchen Sie alle Unterstützung, insbesondere mit Unterrichtsmaterialien. Im Internet gibt es zwar sehr viel Material, jedoch kann das meiste nicht direkt eingesetzt werden. Da ist es vielleicht die Sprachschranke, es fehlt die stufengerechte Aufbereitung, meist kann man die Materialien also nicht ohne Bearbeitung verwenden. Auch die Qualität der Angebote ist sehr unterschiedlich und als Lehrer verbraucht man oft zu viel Zeit für das Auffinden von geeigneten Lernaufgaben, Leitprogrammen, Fallstudien, Puzzles, Werkstätten usw.

Zu fordern ist eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ausbildungsinstitutionen, insbesondere durch die Bildung von eigentlichen Didaktikzentren. Diese sollten neben der Grundausbildung Angebote für die Weiterbildung bereitstellen, Lehrpersonen und Schulen beraten und an der Entwicklung von Unterrichtsmaterialien arbeiten kšnnen. Solche Didaktikzentren müssten regional ausgerichtet sein und über den Standortkanton hinaus wirken können. Ich stelle mir vor, dass FachdidaktikerInnen etwa zur Hälfte selber unterrichten, damit sie den Kontakt mit der Schule haben. Zur anderen Hälfte sollten Sie fest an ein Didaktikzentrum mit dem Auftrag zu angewandter Forschung, Entwicklung und Lehre verpflichtet sein.

Lösungen für die Zukunft

Die Kantone (2) und die Bundesstellen haben sich für die Unterstützung der Schulen bei der Nutzung der neuen Technologien für das Lernen ausgesprochen und sind auch bereit, dafür Mittel einzusetzen. Es geht darum, dass zielführende Projekte unterstützt und die Mittel effizient genutzt werden. Ich sehe einen wichtigen Schritt dabei im Ausbau und der Koordination der Fachdidaktiken auf der Sekundarstufe II. Dazu gehört der Auftrag, in die Aus- und Weiterbildungsprogramme der Lehrpersonen die IKT-Mittel sinnvoll zu integrieren. Ferner muss durch den Ausbau auch die Kapazität für die Produktion und Weiterentwicklung von Unterrichtsmaterialien für den schülerzentrierten Unterricht geschaffen werden. Damit verbunden ist dann der Betrieb von Bildungsservern. Denn nur, wer Inhalte schafft, wer die Fachkompetenz hat, ist in der Lage, längerfristig verantwortlich für Qualität und Weiterentwicklung der Materialien einzustehen.Wir brauchen also diverse dezentrale Fachbereichsserver mit den Inhalten und als Einstiegsportal z.B. betreut von der SFIB (3) eine Koordinationsplattform. Hierfür genügt schlichte Technik, die vorhandenen finanziellen Mittel müssen primär zur Produktion und Pflege der Inhalte bei den Fachdidaktiken eingesetzt werden.

1 Erziehungsdirektorenkonferenz
2 Erklärung der EDK vom 8.6.2000
3 Schweizerische Fachstelle für Informatik im Bildungswesen

27.1.2001 kn